Augmented Reality, Internet, Livestreaming. Nach dem technisch spektakulären E-Mountainbike G6 kommt von der kroatischen Hightech-Company Greyp jetzt das erste Trekking-Bike. Auch das T5 setzt auf die Kombination von innovativer Software aus dem Hause Rimac und Motorpower aus Österreich. Bitte aufsitzen.

Christoph Heigl
Christoph Heigl


Ein Blick auf die Website von Greyp genügt und man sieht: Die Kroaten ticken anders. Keine Spur von braven E-Bike-Konzepten und biederen Produktfotos. Hier geht die Party ab. Hier ist das Fenster in die Welt der Elektro-Mobilität von Morgen, so wie sie Greyp-CEO und E-Guru Mate Rimac sieht. Der kroatische Erfinder und Entwickler hat gemeinsam mit Porsche gerade die Edel-Sportwagenmarke Bugatti übernommen, wird die Autos ziemlich entstauben und dann gehörig unter Strom setzen. Man weiß nicht, welche medialen Huldigungen Rimac exakter treffen, der „bessere Elon Musk“ zu sein, wie es oft in Porträts über ihn heißt, oder gar der neue Nikola Tesla? Und Rimac ist erst 33 Jahre alt. Mehr zu ihm später.

Zwei Stunden südlich von Graz ist das Headquarter von Greyp, in Sveta Nedelja, etwas westlich der kroatischen Hauptstadt Zagreb, wo ab 2013 die Marke mit Leben gefüllt wurde. Der Unterschied zu anderen Rad-Geburten: Normalerweise wird ein herkömmliches Fahrrad oder Mountainbike als Basis hergenommen, mit einem Antrieb versehen und elektrifiziert. Mate Rimac findet das etwas old-school und nimmt als erstes sein Smartphone zur Hand. Ein Mobiltelefon ist der Schlüssel zu jedem Greyp-Bike. Nicht zufällig erinnerte die große Präsentation des ersten Greyp-Mountainbikes 2019 in Zagreb an die Bühnen-Inszenierungen von Steve Jobs, wenn er das neueste iPhone in die Kameras der Weltöffentlichkeit hielt. Blockchain, Künstliche Intelligenz, Gamification, Video-Live-Streaming, Augmented Reality – das sind Vokabel, die Rimac zu seinen Rädern einfallen. Von Reifendruck, Federweg und Scheibenbremsen sprechen die Mitbewerber. Das G6 wurde vor zwei Jahren auch bewusst nicht als neues Rad vorgestellt, sondern als „neues Accessoire für dein Smartphone“.

Vorhang auf für das T5
Und jetzt wird die Modellpalette bei Greyp breiter ausgerollt. Neben den bestehenden MTB-Konzepten G5 und G6 gibt es noch das „eHyperbike G12“, das als Fun-E-Bike mit 12 kW Power und einem Max-Speed von 70 km/h (!) für Erstaunen sorgt. Neo-PSG-Kicker Sergio Ramos hat sich eben eines zugelegt. Ab 2022 wird es von Greyp ein eCITY-Rad geben und mit dem 12. Juli 2021 erblickt das Trekking-Bike T5 („Five Two“) das Licht der Welt. SPORTaktiv durfte das Rad, das bei Greyp auch als "eSuv" läuft, vorab exklusiv in der teureren Version T5.2 testen.

Zum Rad als Träger der Technik nur kurz: Das T5.2 ist ein vom Zweirad-Konzept her relativ konventionelles Trekking-Bike für Ausflüge, die Stadt, eventuell ein paar sportlichere Ausflüge, aber kein Sportgerät: Federgabel, 1 x 12 Schaltung, Scheibenbremsen, stabile Gepäckträger, Seitenständer und volle Lichtanlage sind aber schon mal ein guter Start. Moment, Licht! Hier beginnt der Bereich, den Rimac und Greyp mit dem Slogan  „Tech meets Trekk“ umschreiben. Zum normalen Licht hat das T5 auch noch vorne 4 weiße LEDs und hinten 4 rote LEDs, die kräftig strahlen und als Clou sitzt in dieser Lichtanlage vorne und hinten (!) eine Weitwinkel-Kamera für Bilder und Videos mit 1080p und 30fps (Frames per second). GoPro immer an Bord quasi.

Herzstück des T5 ist das CIM, das Central Intelligence Module, das zwar etwas (zu) tief aber somit gut geschützt an der Vorbau-Lenker-Einheit fixiert ist. Das 3 Zoll große TFT-Display zeigt die wichtigsten Funktionen wie Speed, Distanz, Uhrzeit, Unterstützungsstufe und Akkustand. Bis hierhin nix Dramatisches. Als Powerunit werkelt in den Greyp-Bikes Motor-Hardware mit österreichisch-taiwanesischen Wurzeln: Der MPF-Motor 6.0c ist nicht weitverbreitet, setzt sich mit 95 Newtonmetern Topleistung aber an die Spitze der Motorenliga, zudem ist er laut Angaben wartungsarm (Metallgetriebe mit Ölschmierung) und sehr leise. Letzteres können wir absolut bestätigen, der Motor surrt kaum hörbar.

Handy als Display oder Remote Control
Richtig spektakulär wird das Greyp aber, wenn man das Handy zur Hand nimmt und Rad und Telefon via Bluetooth mit der dazugehörenden Greyp-App koppelt. Dann geht sie auf die neue Rimac-Welt, denn das eigene Handy wird jetzt zum Bike-Display, das sich über das CIM gestülpt am Rad befestigen lässt. Alles, was andere Displays der Konkurrenz können, kann das Greyp jetzt auch, inklusive aller Navi-Funktionen.

Es kann aber mehr: Das Rad ist dank eingebauter SIM-Karte (T-Mobile (Hrvatski Telekom, gültig für 140 Länder) permanent mit dem Internet verbunden und kann damit die Fahrt livestreamen, während der Fahrt Fotos und Videos machen und Nachrichten schicken und empfangen. „Terrain Based Range“ zeigt die Karte mit der Reichweite, abhängig Höhenmetern und Gelände. Wird das Handy abgenommen und quasi als „Fernbedienung“ verwendet, bekommt man Messages wie „Your bike has been moved, check it!“, wenn jemand vielleicht am Rad hantiert (Diebstahlkontrolle), kann die Kameras aktivieren, und bekommt während des Ladevorganges (700 Wh Akku) den exakten Ladestand aufs Handy. Wie bei Smartphones üblich, kommt auch das neueste Software-Update kabellos aufs Rad. Display und Handy werden vom Kontroller am linken Griff gesteuert, der als kleiner Kritikpunkt zumindest in Sachen Ergometrie noch Luft nach oben hat. Elektronisch gesteuert werden auch die Scheibenbremsen: Die Formula Cura 4 verfügt über Bremssensoren, die die Motorpower während des Bremsens dosieren.

Fahrpraxis: Mit 95 Nm geht das T5.2 ab wie eine Rakete, selbst in der ersten der 5 Unterstützungsstufen, Stufe 5 ist dann fast schon zu viel für Radwege und Stadtverkehr, an Steigungen aber natürlich willkommen. Den „Intensitätslevel“ des Antriebes kann man aber – wie viele andere Dinge auch – in den Settings der App festlegen und dosieren. Ach, Steuerung über beigelegten Pulsgurt kann das Greyp natürlich auch. Sämtliche Android-Features sind jetzt auch für iOS (iPhone) erhältlich, die Bluetooth-Konnektivität wurde vereinfacht und verbessert und Third-Party-Integration ermöglicht. Auch bei der Navigation wird es neue Lösungen geben. Kleiner Minuspunkt: Diese Menge Technik verlangt natürlich nach umfassender Verkabelung, die aktuell bei Greyp eher oberflächlich gelöst ist und für eine wenig aufgeräumte Optik rund um den Lenker sorgt. Wohl nur Kinderkrankheiten. In Folge der vielen Technik und stabilen Ausführung ist das Rad leider auch in der 30-Kilo-Klasse daheim. Was man weniger beim Fahren, aber vielmehr beim Schieben und Heben/Tragen merkt.

Erdäpfel-Humor Made by Greyp
Wohltuend anders empfanden wir beim Rad auch die Portion Humor, die zur DNA von Greyp zu gehören scheint, wie auch das eigene von Greyp gelabelte Bike-Bier namens „Bunny Hoppy“ zeigt. Für Schmunzeln beim T5.2-Testuser sorgte die Entnahme des Akkus und der darunter liegende Sticker am Rahmen. Offenbar für den Fall, dass man das Ladegerät verliert, sind als „Greyp Life Hack“ alternative Lade-Hinweise für einen „Potato-Charger“ angebracht. Die Tipps sind aber möglicherweise nicht ganz ernst gemeint:

  • 1. Nimm 600.000 Erdäpfel. Tipp: Dafür brauchst du 4 Hektar Land.
  • 2. Stecke Kupfer und Zink in jeden Erdapfel. Tipp: z.b. Münzen oder Nägel.
  • 3. Verbinde alle Erdäpfel. Tipp: Kaufe dafür etwa 1000 Meter Draht.
  • 4. Verbinde nun die 600.000 Erdäpfel mit deinem Akku. Tipp: Noch besser: Verliere nie dein Ladegerät. ?

Zurück zum bärtigen Kopf hinter Greyp Bikes und Rimac Automobili. „Wir wollen die Besten der Welt sein“, lautet ein Credo von Mate Rimac. Wo das nicht möglich ist, verschwendet er keine Energie. Bei den E-Bikes schlägt er einen interessanten Weg ein, bei den Autos ist er schon ein paar Schritte weiter. Das „Concept One“ war der erste aufsehenerregende Entwurf von Rimac, ein zweisitziger E-Sportwagen mit 1088 PS (später 1224 PS) und 1600 Nm Drehmoment, es wird als erster elektrischer Supersportwagen überhaupt bezeichnet. Aktuell macht Rimac mit dem Nevera Furore. Das neue „Hypercar“ hat an jedem Rad einen Motor, in Summe 1914 PS und 2360 Nm Power. Der Nevera schafft 0-100 km/h in weniger als 2 Sekunden hat eine Höchstgeschwindigkeit von 412 km/h. Serienproduktion 150 Stück Kaufpreis 2 Millionen Euro. Da sind die Greyp-Bikes richtige Schmankerl, das G5 gibt es ab 4499 Euro, das G6 ab 6499 Euro, das neue Trekkingbike wird es ab 4499 (Version T5.1) bzw. 5499 Euro (T5.2) zu erstehen geben.