Er genießt die Freiheit auf dem Snowboard, springt über Treppen und gleitet liebend gern über Geländer. Warum Marc Swoboda das tut? Weil ihn Hindernisse glücklich machen. Und der Spaß für ihn erst dort beginnt, wo der normale Weg sein Ende hat.

Interview von Axel Rabenstein


Marc, was macht Snowboarden für dich aus?
Für mich ist Snowboarden einfach die pure Freiheit. Wenn ich durch den Schnee gleite, löst das ganz besondere Glücksgefühle in mir aus.

Und warum macht dir das Boarden mehr Spaß als das Skifahren?
Ich denke, die ganze Haltung ist entspannter. Du stehst seitlich, nicht so frontal gegen den Hang, du brauchst keine Stöcke. Für mich ist Snowboarden wie Surfen – nur im Winter.

Trotzdem scheint das Skifahren auch bei jungen Leuten derzeit mehr im Trend zu liegen. Woran liegt das?
Snowboarden hatte einen riesigen Boom. Darauf folgt meistens eine Phase, in der es etwas ruhiger um eine Sportart wird. Zudem kamen massiv neue Freestyle-Ski und Freerider auf den Markt. Aber ich habe das Gefühl, dass das Snowboarden schon wieder im Kommen ist.

Wird es auch mal langweilig, wenn man Tag für Tag auf dem Snowboard steht?
Niemals! Sobald ich das Snowboard an den Füßen und die Ratschen geschlossen habe, scheinen alle anderen Gedanken aus meinem Kopf zu verschwinden. Es gibt nur noch den Berg, die Natur und das Board. Diese Tatsache fasziniert mich heute noch genauso wie am ersten Tag.

Welche Rolle spielt dabei die Natur?
Für mich eine große! Die Natur ist so komplex. Wir sind nur ein kleiner Teil von ihr. Wir sollten uns noch viel mehr nach der Natur richten, als zu versuchen, sie an unsere Bedürfnisse anzupassen. Die Natur hat sich über Millionen von Jahren entwickelt, sie steckt voller Wissen. Ich genieße jede Minute, die ich draußen verbringen kann.

Manchmal fällt über Nacht der Schnee und hat bis zum nächsten Morgen die ganze Welt verzaubert. Ist das für dich noch etwas Besonderes oder schon ein gewohntes Bild?
Das wird wohl immer speziell für mich bleiben. Ich komme ja nicht ­direkt aus den Bergen, sondern aus dem Osten Österreichs. Schon als Kind habe ich Iglus gebaut und bin die Hügel runtergerutscht. Ich finde, dass Schnee einen beruhigt. Geräusche werden gedämpft, Kanten geglättet. Schnee ist irgendwie magisch. Und fällt einfach so vom Himmel ...

Trotz deiner Liebe zur Natur zieht es dich immer wieder in die Stadt, um dort zu filmen und neue Tricks zu üben. Wie kommt das?
Das Street-Snowboarden hat den Vorteil, dass man in kürzerer Zeit mehr Spaß haben kann. Im Tiefschnee baust du manchmal einen ganzen Tag an einer Schanze, dann wartest du noch auf die perfekten Lichtverhältnisse, um schließlich vielleicht fünf Versuche zu haben, ehe der Landehang hinüber ist. Beim Fahren auf Rails sind wir unabhängiger vom Wetter, nutzen die städtische Straßenbeleuchtung oder bauen uns selbst ein paar Scheinwerfer auf. Dann können wir innerhalb einer Stunde schon mal 50 oder 60 Versuche landen. Das bedeutet ganz einfach: mehr Glücksgefühle!

Video: Marc Swoboda - Down to Earth (Full Part)

Du sprichst von „Rails" – also alles, was irgendwie länglich und geeignet ist, um daran entlangzusliden. Was ist so toll daran?
Die ganze Stadt wird zur Fundgrube, zu unserer Spielwiese inmitten von Beton und Architektur. Das kommt in einem Film vor allem optisch gut rüber. Und es reicht schon eine lange Stange oder ein fünf Meter langes Geländer, um sehr viel Spaß damit zu haben.

Aber sind Stürze hier nicht besonders folgenschwer?
Es mag den Eindruck erwecken, dass ein Trick am Geländer riskanter wäre als ein Sprung über einen Kicker aus Schnee. Bei großen Schanzen brauchst du aber jede Menge Geschwindigkeit. Dabei entstehen große Kräfte, die auch bei einer Landung im weichen Tiefschnee eine Gefahr darstellen. Wenn ich hingegen langsam über ein Geländer gleite, kann ich einen Fehler viel einfacher ausgleichen oder einen Sturz noch abfangen. Und mich interessiert das Spielerische ohnehin mehr als die Geschwindigkeit.

Beim Boarden in der Stadt wird das Umfeld zweckentfremdet. Ist das auch eine Rebellion gegen die Normalität?
Mit Sicherheit bin ich jemand, der gerne mal gegen den Strom schwimmt. Trotzdem geht es mir in erster Linie darum, mich sportlich weiterzuentwickeln, besser zu werden und neue Tricks zu stehen.

Dabei suchst du ganz gezielt nach Hindernissen. Andere Leute würden einem Hindernis eher aus dem Weg gehen. Glaubst du, dass sich viele Menschen zu oft in ihrer Komfortzone bewegen?
Auf jeden Fall. Ohne, dass ich diese Menschen jetzt kritisieren möchte. Aber ich halte die Gewohnheit für eine der größten Schwächen und Gefahren in unserer Gesellschaft. So viele Menschen lassen sich vom Leben regelrecht einlullen. Ich denke, man sollte Gewohnheiten immer wieder hinterfragen. Die sogenannte Normalität halte ich nicht immer für die beste Lösung.

Mal angenommen, ich möchte einige Hindernisse in Angriff nehmen. Wie sollte ich mich diesen in einem Snowpark am geschicktesten annähern?
Erst einmal: Wer es machen möchte, der sollte es auch wirklich versuchen! Dabei kann ich den Rat geben, die Sache immer schön langsam anzugehen. Wer sich zuvor einige Videos ansieht, um die typischen Bewegungsabläufe auf einer Box oder Rail zu visualisieren, wird es einfacher haben. Die eigene Vorstellungskraft ist von großer Bedeutung.

Besteht dabei nicht die Gefahr, dass ich mir etwas zutraue, was mich in der Realität überfordert?
Das ist tatsächlich ein heikles Thema. Manchmal erwische ich mich dabei, dass ich mir etwas einreden möchte. Man sollte aber niemals denken, man müsse etwas tun. Die Motivation sollte immer aus kleinen Schritten heraus entstehen, am besten innerhalb einer Session, im Einklang mit dem eigenen Bauchgefühl. Dann hat man das Feeling und das nötige Selbstbewusstsein für sein nächstes Erfolgserlebnis.

Trotzdem sind Verletzungen nicht auszuschließen. Dich hat es im Jahr 2011 mal etwas gröber erwischt. Was lief da schief?
In dem Jahr habe ich mir zweimal das Fußgelenk gebrochen, weil ich zu früh zurück aufs Snowboard wollte. Aber daraus habe ich gelernt. In der Ruhe liegt die Kraft! Und auch nach einer Verletzung sind es gerade die kleinen Schritte, die einen besonders zuverlässig voranbringen.

Ist das auch deine Philosophie für die kommenden Jahre: In der Ruhe liegt die Kraft?
Definitiv! In erster Linie geht es doch darum, das Snowboarden zu genießen und Spaß dabei zu haben. Dann wirst du automatisch besser, der Erfolg kommt von selbst – und du erlebst immer wieder herrliche Tage, an die du dich gerne zurückerinnerst.

Welcher Tag wäre das bei dir? An was erinnerst du dich spontan?
Da fällt mir der Air&Style-Contest in Innsbruck ein. Ich hatte die große Ehre, als Österreicher im Finale vor 30.000 Zuschauern mitzuspringen. Das war schon genial. Ansonsten hat aber wirklich jeder Tag auf dem Snowboard das Potenzial für einen unvergesslichen Moment.

Snowboarder Marc Sowoboda / Bild: Lorenz Holder / Red Bull Content Pool

Der Rail-König

MARC SWOBODA wurde am 25. August 1985 in Tulln an der Donau (Niederösterreich) geboren. Mit 21 Jahren gewann er die „Austria Rookie Challenge" in den Wertungen „Best Railrider" sowie „Best Style" und „Best Overall". Im Jahr 2007 war er Zweiter beim „Spring Battle" im Absolut Park in Flachauwinkl, ein Jahr später wurde er Sechster bei den „Red Bull Nan­shan Open 2008" in China. Im Jahr 2012 gewann er mit der „Frontline Rail Jam" in Stockholm einen der wichtigsten Wettkämpfe dieser Art in Europa. Zuletzt veröffentlichte er zahlreiche Filme und viel beachtete Videoclips, er entwirft auch Boarddesigns für Blue Tomato. Marc Swoboda ist ledig und lebt in Tulln.


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