Christof Domenig
Christof Domenig

Was motiviert die Österreicher zum Breitensport, was hält sie davon ab? Ein Team von Sportsoziologen der Universität Wien hat es sich angeschaut. Und manches herausgefunden, das bei der Motivation im sportlichen Leben behilflich sein kann.


Wie schaut’s aus mit den guten Vorsätzen? Im neuen Jahr haben bestimmt wieder viele mit Sport begonnen. Während aber einige es schaffen, den Sport dauerhaft in ihr Leben zu integrieren, hören viele andere mit dem bewegten Leben wieder auf. „Man würde ja gern, aber …“, hört man dann. Fragt sich: Was machen die, die es schaffen, besser als die anderen, die an ihren sportlichen Vorsätzen und Zielen scheitern? Keine simple Antwort, aber interessante Denkanstöße zu der Thematik liefert eine aktuelle Studie der Universität Wien. Die Frage „Warum (nicht) Sport“ hat sich 2017 ein Team um den Sportsoziologen Prof. Dr. Otmar Weiß gestellt. Die repräsentative Studie zu „Motivatoren“ und „Demotivatoren“ durchleuchtet nicht nur die heimische Breitensportszene, sie hält auch Ansatzpunkte bereit, wie der Sprung ins sportliche Leben wirklich gelingen kann.

Für die Studie wurde zunächst die „Sportidentität“ von 1000 Österreicherinnen und Österreichern ab 18 abgefragt: Welche Bedeutung dem Sport im Leben zugeordnet wird, welche Sportarten ausgeübt werden, wie sportlich sich die Befragten selbst einschätzen (siehe dazu auch die „Fakten“-Spalte unten). Im Hauptteil geht es um die „Motivatoren“, also die positiven Antriebskräfte zum Sportbetreiben; sowie die „Demotivatoren“, die eine Sportausübung verhindern. Insgesamt wurde den Befragten eine Liste mit jeweils rund 20 möglichen Motivatoren und Demotivatoren vorgelegt. Weil einerseits auch Mehrfachnennungen möglich waren und das erhobene Datenmaterial andererseits komplex ist, haben die Studienautoren letztlich nicht nur die absolut erhobenen Zahlen interessiert. Sondern sie sind bei der Auswertung in die Tiefe gegangen, und haben zum Beispiel genannte Motivatoren mit der Häufigkeit der Sportausübung in Verbindung gebracht. Und hier zeigte sich laut Studienleiter Weiß ein Hauptergebnis der Studie: „Es lässt sich ein klarer Zusammenhang zwischen intrinsischer, selbstbestimmter Motivation und der Häufigkeit der Sportausübung herstellen.“

MOTIVATION VON INNEN ...
Das bedarf einer näheren Erklärung: Gängige Motivationstheorien unterscheiden zwischen zwei Arten von Motivation. Da gibt es die intrinsische, die aus dem Inneren heraus kommt. Also: Freude an der Bewegung. Gegenpol ist die extrinsische Motivation – etwa, wenn Sport ärztlich verordnet wird. Zwischen den Polen liegt eine ganze Bandbreite von Motivationsgründen, die teils fremd-, teils selbstbestimmt sind. Die Übergänge zwischen Fremd- und Selbstbestimmtheit sind also fließend. Der Sportsoziologe betont: „Der Mensch strebt nach Selbstbestimmtheit, diese bringt Qualität im Tun. Kurz gesagt: Je selbstbestimmter der Mensch handelt, desto motivierter ist er. Das gilt in jedem Bereich des Lebens. Und natürlich auch im Breitensport.“

… UND IHRE HÖCHSTE AUSPRÄGUNG
Zu diesem inneren Antrieb gilt es also zu gelangen. Weiß erklärt weiter: „Die höchste Form der Selbstbestimmtheit ist der Flow-Zustand, in dem Handlung und Bewusstsein verschmelzen.“ Die Definition eines Flow-Erlebnisses folgt heute üblicherweise der Theorie des US-Psychologen Mihaly Cskiszentmihalyi. Sie besagt vereinfacht, dass Menschen sich selbst vergessen und in einer Tätigkeit völlig aufgehen können, wenn sie einer Anforderung voll gewachsen, dabei weder über- noch unterfordert sind. Flow-Erlebnisse lassen sich hirnphysiologisch über die Ausschüttung von Glückshormonen nachweisen. Solche ultimativen Erlebnisse gibt es ebenfalls in vielen Bereichen des Lebens, in der Kunst, in der Arbeit usw. Im Sport werden sie landläufig etwa beim Free­ride-Skifahren oder beim Mountainbiken (Stichwort: „Flow-Trails“) angesiedelt. Weiß betont: „Sport eignet sich besonders gut für Flow-Erlebnisse. Und zwar jede Sportart.“ Der Flow-Zustand ist dabei nur das Idealziel. Schon der Weg dorthin motiviert. Wenn Bewegung Spaß zu machen beginnt und nicht aus einem Pflichtgefühl heraus ausgeübt wird, ist man auf einem guten Weg. Laufen – übrigens laut dieser Studie absolut im Trend – wird etwa von Untrainierten selten als lustvoll empfunden. Doch je öfter man regelmäßig läuft, je stärker man die Weiterentwicklung des Körpers spürt, desto eher kommt die Freude am Tun. Dauerläufer beschreiben sich nicht selten als süchtig nach dem Laufen, und das, was seit Jahrzehnten als Runner’s High beschrieben wird, kann man in heutiger Diktion wohl eher als Flow bezeichnen. Kinder haben übrigens einen natürlichen Bewegungsdrang, sagt Weiß. Erst im Lauf der Kindheit geht diese Forem instrinsischer Motivation bei vielen verloren. „Die Kindheit ist auch das goldene Zeitalter, um Sportarten motorisch zu lernen“, plädiert Weiß für möglichst frühes Beginnen. Andererseits gilt auch: Zu spät ist es nie. „Im höheren Alter lernt man Sportarten schwerer, aber es funktioniert dennoch mit entsprechender Geduld.“ Was man daraus ableiten kann: eine Sportart suchen, die den eigenen Fähigkeiten entspricht, etwas Zeit und vielleicht auch den einen oder anderen Kurs ins Erlernen investieren. Man muss erste Erfolgserlebnisse erwarten können – doch wenn die kommen, beginnt es oft von selbst zu laufen.

SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT
Und was hält nun die Menschen vom Sport ab? Da zeigt sich eines eindeutig: „Zeitmangel ist der Haupthinderungsgrund, vor allem aufgrund gestiegener zeitlicher Anforderungen im Beruf. Besonders der gehobene Mittelstand scheint stark davon betroffen.“ Dass die freie Zeit vieler Menschen knapper wird, mag auch ein Grund sein, warum gerade Laufen, das fast überall mit einfachen Mitteln ausgeübt werden kann, boomt. Mit Abstand folgen Familie und Kinder als Gründe, die eine Sportausübung verhindern. Und offensichtlich gibt es einen Informationsmangel in der Gesellschaft: „Nichtsportlern scheinen die körperlichen, geistigen und sozialen Wirkungen des Sports zu wenig bekannt zu sein – weil sie Sport mit Spitzensport assoziieren.“ Dass Sport zu betreiben in erster Linie Spaß und Glück verheiße, müsse auch erst in die Köpfe vieler eindringen. „Stattdessen wird Negatives wie Schmerzen oder Verletzungen mit dem Wort verbunden. Sport sollte aber nicht Spitzensport bedeuten, sondern Breitensport – mit all seinen positiven Verheißungen.“ Jeder Bewegungsmensch wird bestätigen: Sport bietet in sich pure Erlebnisfreude. Hat man das einmal erfahren, stellt sich die Frage nach einer nötigen Motivation oft gar nicht mehr …

FAKTEN ZUR STUDIE: „Warum (nicht) Sport“

  • 1000 Österreicherinnen und Österreicher ab 18 Jahren wurden 2017 für die Studie „Warum (nicht) Sport – Motivatoren und Demotivatoren im Breitensport“ befragt
  • Sport liegt in der Wertigkeit der Österreicher auf Platz 4 nach Familie, Freunde und Beruf. Bei Frauen auf Platz fünf, für sie liegt auch Kunst und Kultur vor dem Sport
  • Männer schätzen sich selbst signifikant sportlicher ein als Frauen, obwohl Frauen genauso häufig Sport betreiben

RANGLISTE AUSGEÜBTER SPORTARTEN:
1. Radfahren (38 %),
2. Laufen (35 %),
3. Kraftsport (34 %).
Schwimmen (25 %) lag in den 1990er-Jahren noch auf Platz 1, ist mittlerweile nur noch 4.
Auch Skifahren (15 %) hat im Vergleich zu früher deutlich an Beliebtheit eingebüßt

Laufen hat im Vergleich zu früheren Studien signifikant an Bedeutung gewonnen. Betrachtet man nur die „Hauptsportart“, ist das Laufen sogar die Lieblingssportart der Österreicher

29 % machen 1 bis 2 Mal pro Woche Sport, 18 % 3 bis 4 x pro Woche, 7 % 5 Mal pro Woche oder mehr. Nur 10 % deklarierten sich als absolute Nichtsportler. 47 % gaben insgesamt an, weniger oft als 1 Mal pro Woche Sport zu betreiben

DIE MOTIVATOREN
Gesundheitsbewusstsein, Beweglichkeit erhalten, Leistungsstreben, Freude an der Bewegung. Von Männern auffallend häufiger genannter Motivator ist, sich „mit anderen im Wettkampf zu messen“, während Frauen häufiger betonten, durch Sport die Optik des Körpers erhalten zu wollen

Bei den DEMOTIVATOREN wurden „Zeitmangel“, „zu große Anstrengung“ und „Wettbewerbs-/Leistungsunwilligkeit“ am häufigsten genannt

Prof. Dr. Otmar Weiß
Prof. Dr. Otmar Weiß

Sportsoziologe und Leiter des Zentrums für Sportwissenschaft und Universitätssport an der Universität Wien.