Wenn andere in Not sind, um ihr Leben fürchten, dann marschieren sie los: die Bergretter – stille Helden, die ihren freiwilligen Dienst als „Ehrensache“ ansehen. Stellvertretend spricht der 23-jährige Steirer Christian Fuchs über das Glücksgefühl, ein Leben retten zu können.


Christian, wann haben Sie zuletzt Angst gehabt?
Hmm. Angst bei der Arbeit als Bergretter hab ich eigentlich nicht. Eher, wenn wir zu einem Einsatz gerufen werden, der schwierig sein könnte. Vor allem in der Nacht. Wir werden ja gebietsweise zusammengerufen und da kann es sein, dass wir auf einem Berg sind, auf dem in der Gruppe nur ich mich gut auskenne. Dann bin ich der Kommandant und da vertrauen viele Leute auf dein Wissen. Da bin ich nach der Rückkehr echt froh, wenn alles gut gegangen ist.

Wie sind Sie denn eigentlich überhaupt zur Bergrettung gekommen?
Ich bin immer schon gerne Skitouren gegangen. An jedem Dreikönigstag hat die Bergrettung bei uns in Leoben traditionell eine LVS-Suchübung gemacht. Da war ich mit einem Freund immer dabei, weil wir mit den Profis üben wollten. Irgendwann haben sie uns gefragt, ob wir nicht auch zur Bergrettung kommen wollen, aber ich war mit 15 noch zu jung und mus te bis zum 16. Lebensjahr warten. In den Bergen war ich schon als Kind mit den Eltern gern und bin auch geklettert.

All das könnte man ja aber auch nur privat und aus Freude an der Bewegung machen.
Ja, aber die „Partie“ hat einfach gepasst. Die Kameradschaft, die Gruppe, das ist so klass. Du bist unter Gleichgesinnten. Keiner stellt Fragen, jeder will helfen. Auch bei den Kursen verfolgt jeder das gleiche Ziel. Ich habe mir bis jetzt auch noch nie die Frage gestellt, warum ich damit angefangen habe. Es war irgendwie selbstverständlich. Ich mach das jetzt knapp sieben Jahre, habe aber das Gefühl, als wäre ich schon mein Leben lang dabei. Alle in der Truppe sind enge Freunde geworden. Bei jedem Einsatz lege ich ja mein Leben in die Hand eines Kameraden: Wenn mich einer abseilt, muss ich mich zu 100 Prozent auf ihn verlassen.

Waren Sie schon immer ein fürsorglicher Typ? Also so einer, der den Schwachen geholfen hat?
In der Schule sicher nicht. Aber mein Vater war immer mit Leib und Seele bei der Feuerwehr. Das hab ich als Bub natürlich mitbekommen. Wenn das Piepserl in der Nacht gegangen ist, ist er auf und zum Einsatz. Das war für mich also immer irgendwie normal. Für die Feuerwehr hab ich mich aber nie interessiert. Aber die Bergrettung hat mich dann in ihren Bann gezogen.

Fühlt man sich dabei wie in einer Elitetruppe?
Ein bisserl vielleicht schon. Bei 94 Prozent der Unfälle am Berg kommt der Hubschrauber – erst wenn der nicht mehr fliegen kann, rücken wir aus. Also in der Nacht oder wenn das Wetter ganz schlecht ist. Oder wenn es so steil wird, dass kein Auto mehr fahren kann.

Ihr gebt immer euer Bestes, trotzdem geht es nicht immer gut aus.
Klar, das weiß man ja vorher nie. Es kann immer alles passieren bei einem Einsatz. Ich war bis jetzt vier Mal bei einer Totbergung dabei. Da bist du nachher froh, wenn du mit deinen Jungs alles besprechen kannst und jeder das Erlebte so wieder loswerden kann. Sowas ist nie einfach zu verarbeiten.

Zur körperlichen Anstrengung kommt also die psychische Belastung dazu.
Und die ist oft die Größere. Wenn du bei einem Einsatz bereits vorher weißt, dass die Person es nicht überlebt hat, dann haben wir zwar keinen Zeitdruck mehr und der Einsatz ist vielleicht auch nach einer Stunde vorbei, aber für die Psyche war das anstrengender, als wenn ich jemanden zwei Tage im Gelände suchen muss. Das sind dann die härteren Einschläge im Leben als Bergretter.

Dafür ist es umgekehrt sicher ein tolles Gefühl, wenn man jemandem tatsächlich das Leben rettet.
Das sind die schönen Seiten: Wenn du jemanden in der Nacht bei minus 20 Grad aus dem Wald rettest – das muss für uns gar keine große Sache sein. Aber wenn die Person verletzt ist und du findest sie, packst sie warm ein und bringst sie ins Spital – das wiegt vieles auf.

Grundsätzlich: Was raten Sie den Menschen, die in die Berge gehen?
Neben guter Ausrüstung vor allem, dass sie sich auch immer des Risikos bewusst sind, wenn sie in den Bergen unterwegs sind. Und dass nicht wie in der Stadt immer sofort Hilfe da sein kann, wenn was passiert. Manchmal kann es lange dauern, bis wir an Ort und Stelle sind. Bei einem Wintereinbruch zum Beispiel sind zwei, drei Stunden schnell weg. Und damit wird es gleich brenzlig für einen Verunglückten. Manchmal brauchst aber auch nur Glück: Ich war einmal zufällig zu Silvester auf einer Hütte und habe ein SMS bekommen, dass sich ein Mann gemeldet hat, weil er nicht mehr ins Tal findet. Der war auf der gleichen Hütte wie ich. Ich bin ihm nach und hab ihn gefunden. Damals hatte es viel geschneit. Wenn wir da erst aufsteigen hätten müssen, wäre er nicht nach einer Stunde unten gewesen, sondern wir hätten ihn sicher erst nach vier oder fünf Stunden gefunden.

Werden die Leute immer fahrlässiger?
Es gibt viele Leute, die das Risiko nicht einschätzen können, die nicht wissen, in welcher Umgebung sie sich bewegen. Bei uns im Raum Leoben ist das nicht ganz so dramatisch. Aber weiter in den Ostalpen, Großglockner, Mont Blanc – da wundert man sich schon, dass nicht mehr passiert. Da sind wirklich viele Halbschuh-Touristen unterwegs.

Gibt es Tage, Jahreszeiten oder Wetterlagen an denen sich die Einsätze häufen?
Natürlich im Winter, wenn die Lawinenwarnstufe hoch ist, aber auch im Sommer an besonders schönen Wochenenden. Da bin ich dann immer schon ein bissl angespannt. Wobei: Untertags werden wir eh kaum alarmiert, sondern erst am Abend oder in der Nacht, wenn der Mann nicht wie gewohnt vom Berg heimkommt. Da bin ich immer froh, wenn um 22 Uhr kein Anruf kommt. Es kann aber passieren, dass wir lange keinen Einsatz haben. Als ich angefangen habe, war drei Jahre lang nix. Und dann wieder überschlagen sich die Einsätze.

Welche Voraussetzungen muss man für die Bergrettung mitbringen?
Man muss 16 Jahre alt sein, einen Erste-Hilfe-Grundkurs und ein ärztliches Attest mitbringen, das die körperliche Fitness bestätigt. Es kommen aber ohnehin nur Leute, die in den Bergen unterwegs sind, Skitouren gehen und auch klettern können. Dann bist du zuerst ein Jahr dabei, bis du auf einen Kurs fahren darfst. Dort schickt dich der Ortsstellenleiter auch nur hin, wenn er glaubt, dass du es drauf hast. Die meisten merken aber ohnehin schnell, ob es passt oder ob es eben nichts für sie ist. Auf den Berg gehen oder Bergretter sein, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Zum Beispiel habe ich dann kein Auto, das alles auf den Berg bringt, was wir so brauchen – du musst alles selbst tragen.

Was zum Beispiel?
Im normalen Sommerrucksack habe ich einen Biwacksack, ein großes Erste-Hilfe-Paket, meinen kompletten Gurt, Helm, frisches Gewand, Karabiner, Seile, Haube, Handschuhe, eine starke Stirnlampe mit zwei Akkus und einen Tee. Auch im Sommer. Einsatzmäßig variiert das dann.

Ihr macht das ja alles freiwillig, in eurer Freizeit. Wie schaut das eigentlich nach einer langen Einsatznacht am nächsten Tag am Arbeitsplatz aus?
Frei bekommen wir auch nach einer Nachttour nicht, bei uns müssen eigentlich alle am nächsten Tag ganz normal arbeiten gehen. Klar kann das nach einer stundenlangen Nacht am Berg echt mühsam und anstrengend sein.

Und nur zur Bestätigung: „Freiwillig“ heißt auch, dass ihr für eure Arbeit als Bergretter nichts bezahlt bekommt?
Korrekt. Da gibt es keinen Cent!

Gehen Sie jetzt anders in die Berge, als vor Ihrer Zeit als Bergretter?
Auf alle Fälle. Ich will ja keinen meiner Bergretter-Kollegen in Gefahr bringen. Ich bin unfallbewusster und ich habe immer mein Bergretter-Erste-Hilfe-Packerl dabei. Im Winter habe ich auch auf der Piste immer ein Lawinen-Piepserl eingesteckt.

Was sagt eigentlich Ihre zukünftige Frau zu Ihrer Leidenschaft?
Natürlich sorgt sie sich um mich, wenn ich einen schwierigen Einsatz habe. Sie akzeptiert das aber, weil sie weiß, dass es für mich keine Leidenschaft ist, sondern das ist meine Lebenseinstellung. Wenn ich irgendwo in den Bergen unterwegs bin, egal wo, und ich bekomme mit, dass jemand in Not ist, dann helfe ich. Wenn du im Wald um die Kurve gehst, kann sein, dass jemand da liegt und drei Leute daneben sitzen und nicht wissen, was sie tun sollen. Darum habe ich auch die Grundausstattung immer mit. Damit ich dann nicht sagen muss: Ich kann auch nichts tun ...

Christian FuchsDER BERGRETTER
Christian Fuchs, 23, ist seit 2006 Bergretter. Über seine Leidenschaft Skitourengehen ist er mit der Bergrettung in Kontakt gekommen, kurz nach seinem 16. Geburtstag Anfang November 2006 ist er dann beigetreten. Mittlerweile ist er stellvertretender Leiter der Ortsgruppe Leoben in der Steiermark. Privat ist er Malermeister im Betrieb seines Vaters und frisch verheiratet.
www.bergrettung-leoben.at



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