Was tut sich 2017 technisch bei Rennrädern? Welcher Trend wird sich durchsetzen, welcher eher nicht? SPORTaktiv-Bikeredakteur Christoph Heigl hat es sich angeschaut.

Von Christoph Heigl


Scheibenbremsen, schmälere Reifen, E-Rennräder – Bikeexperte Christoph Heigl ist den Trends im Rennrad-Sektor auf der Spur. Und hat dabei Interessantes herausgefunden ...

BREMSEN – WAS IST JETZT MIT DER SCHEIBE?
Die Welt ist eine Scheibe. Der Jänner 2017 sah ein historisches Straßenrennen und einen Tom Boonen, der bei der Vuelta a San Juan den ersten Profisieg mit einem Scheibenbremsen-Rennrad feierte. Die Causa Scheibenbremse macht aber nach wie vor Schleifgeräusche: Von der Fahrergewerkschaft CPA wurden die runden Stopper fast zum Gerichtsakt gemacht, als es erste verletzte Profis gab (angeblich Schnittverletzungen nach Stürzen im Peloton), der Weltverband UCI die neuen Bremsen aber 2015 und 2016 zu Testperioden und -rennen zuließ. Die Revolution kommt in kleinen Schritten. Offen ist, wie Freizeitfahrer darauf reagieren, wenn die Profis vermehrt mit Scheibe bremsen. Bislang setzten sich Bikes mit Scheibenbremsen ja eher zögerlich durch.

REIFEN – TREND ZUR BREITE GESTOPPT
Apropos Roubaix, Teil I – und noch ein interessanter Seitenblick zu den Profis: Entgegen dem Trend zu breiteren Reifen bei Rennrädern sah man in der „Hölle des Nordens" zuletzt wieder schmälere Pneus. Schwollen die ehemaligen Asphaltschneider in den letzten Jahren auf bis zu 31 Millimeter Breite an, sah man heuer am Kopfsteinpflaster durchwegs 28 Millimeter. Zum Vergleich: In grauer Vorzeit gab es am Rennrad 19, 20 Millimeter. 23-mm-Dinger wurden bereits als Ballone verspottet. Heuer gilt: 23 bis 28 ist normal – für Profis und Freizeitrennradler.

ES DARF EIN BISSERL KOMFORTABLER SEIN
Apropos Roubaix, Teil II: Das auf diesen Namen getaufte Komfort-Rennrad der Bikeschmiede Specialized sorgte in den letzten Jahren für eine um sich greifende „Roubaixisierung" der Räder. Mehr Komfort, mehr Dämpfung, kürzer, höher, aufrechtere Geometrie. Und damit langstreckentauglichere Sitz- und Pedalierpositionen. Auch dieser Trend setzt sich heuer fort. Specialized hat sogar ein Roubaix mit gefedertem Vorbau/Lenker, das zwei Zentimeter Federweg ermöglicht, angeblich ohne Einbußen bei der Steifigkeit und beim Handling.

LADYS ALS ZIELGRUPPE
Envie, Silque, Ruby, Contessa – auf diese Namen hören Damen-Rennräder, die sich auch immer mehr etablieren. Liv aus dem Hause Giant als Damenmarke – aber auch Trek, Specialized, Scott, Cube oder Cannondale haben eigene Damenlinien kreiert. Gemeinsam haben sie eine etwas kürzere Geometrie (kürzeres Oberrohr), um den bei Frauen kürzeren Oberkörper auszugleichen; eine leichtere Übersetzung und – im Idealfall – eine graziösere Optik. Dazu kommen jede Menge auf den weiblichen Körper abgestimmte Anbauteile. Damit und mit moderaten Einstiegspreisen ab etwa 1.000 Euro werden vor allem Einsteigerinnen und fitnessorientierte Damen angesprochen.

Im Schaufenster: 4 Rennräder im Vergleich


SCHALTKABEL INS MUSEUM?
Kurbeln mit nur einem Kettenblatt gibt es mittlerweile zwar für Rennräder. Zweifachkurbeln ­(2x11) sind aber nach wie vor Standard. Das Zwölffach-Ritzel gibt es bis dato nur bei Mountainbikes in Serienproduktion, am Rennrad sind Kassetten bis 42 Zähnen geplant und für Spezialisten ein Thema. Für Einsteiger gibt es auch noch Dreifachkurbeln. Geschaltet wird bis zur Mittelklasse mit Seil, aber die elektronische Schaltung wird immer attraktiver und man sieht sie an immer mehr Rädern. Das gute alte Brems- und Schaltkabel wandert langsam ins Museum.

„E" IN DER WARTESCHLEIFE
Und was ist mit E-Rennrädern? Man sieht sie noch selten, aber es gibt sie: Rennräder mit Elektromotoren. Was kommt als nächstes? Die E-Tour de France? Mit Einzelzeitstromsparen? Mit dem blinkenden LED-Trikot für den besten Jung-Akku? Fakt ist: Die Industrie wartet ab, ob das „E" unter Hobby-Rennradlern denselben Siegeszug antreten wird wie bei Trekking- und Mountainbikern. Das stärkste Argument, das Gegner einwerfen: Bei normalen E-Bikes hört der Motor bei 25 km/h mit der Unterstützung auf. Über so ein Tempo lächeln ambitionierte Straßenfahrer nur milde. Aber auf Bergetappen? Man darf abwarten.


Schon gesehen ...?