Wie gut ist (d)ein Laufcoach? Von Laufexperten mit fundierter Ausbildung, viel persönlicher Erfahrung und Einfühlungsvermögen können auch routinierte Läufer noch viel lernen. Das ist nicht die Frage. Gerade im Sommer, wenn viele Laufcamps und -seminare angeboten werden, stellt sich eher diese: Wer definiert eigentlich, wer oder was ein „Laufexperte“ ist?


Geht der Frühling dem Ende zu, dann ist für viele Hobbyläufer die erste Saisonphase abgeschlossen; Trainingskilometer sind abgespult, das eine oder andere Rennen war vielleicht auch dabei. Was jetzt? Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, den eigenen Horizont in einem Laufcamp oder Laufseminar zu erweitern, wie sie gerade in den Sommermonaten gern angeboten werden. Klingt doch verlockend: Es sich ein paar Tage lang in schöner Umgebung gut gehen lassen, Gleichgesinnte kennenlernen – und von einem echten „Laufcoach“ noch ein paar nützliche Dinge dazu lernen, damit es künftig noch besser und leichter läuft.

Beim Angebot von Runningcamps, Laufseminaren oder Trailrunning-Workshops mit Urlaubsfeeling stellt sich aber so mancher die berechtigte Frage: „Ja, ist das was G’scheits? Und wie gut ist er, der Laufexperte, der uns da betreuen soll?“

Aber wenn wir schon beim Thema sind, dann sollte die erste Frage doch lauten: Wer oder was ist eigentlich ein „Laufexperte“? Und welchen Wert haben tatsächlich die Bezeichnungen Trainer, Coach, Instruktor und wie sie alle heißen? Schließlich ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, was im Sport oft die Spatzen von den Dächern pfeifen: „Trainer, Coach oder Experte kann sich jeder nennen – ganz egal, ob er von einer Materie eine Ahnung hat oder nicht …“

Eine Anmerkung noch vorweg, bevor wir dieser Behauptung auf den Grund gehen: Eigentlich sollte hier der Hinweis folgen, dass wir die Thematik nur exemplarisch am Beispiel der Lauftrainer aufarbeiten wollen, das Gesagte tatsächlich aber für jeden Sport gilt. Bloß: Das stimmt so nicht, wie wir im Verlauf der Recherche herausgefunden haben! Doch darauf kommen wir später noch zurück.

GEWERBLICHE DIENSTLEISTER
Wir haben zunächst bei der Wirtschaftskammer nachfragt, wer in Österreich eigentlich gegen Bezahlung andere im Laufsport anleiten, also zum Beispiel Laufseminare anbieten darf. Und wir wurden mit unserer Anfrage an die „Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister“ verwiesen. Laut dem Fachgruppenleiter in der Wirtschaftskammer Steiermark, Mag. Manuel Höfferer, gilt es zunächst zweierlei zu unterscheiden: „Rein unterrichtende Tätigkeiten unterliegen nicht der Gewerbeordnung und können von jedem ausgeübt werden. Bietet man allerdings eine individuelle Trainingsbetreuung an – und das wird im Laufsport zumeist der Fall sein – dann benötigt man einen Gewerbeschein und unterliegt entsprechenden Regeln.“

Für sportwissenschaftliche Beratungen gibt es in der Gewerbeordnung einen Tätigkeitskatalog, der eine Reihe von konkreten Dienstleistungen im´Breiten- und Spitzensport auflistet, für die dieser Berufsschutz greift. Das geht von der Leistungsdiagnostik bis zum vergleichsweise banalen „Lehren und Durchführen einfacher Bewegungstechniken in Gruppen (Lauftreffs, Laufschulung, Nordic Walking)“.

NUR FÜR „AKADEMIKER“
Wer auch nur eine dieser Dienstleistungen anbieten will, muss einen entsprechenden Gewerbeschein besitzen, sagt Manuel Höfferer. Was zugleich für die Kunden dieser Anbieter auch eine Art „behördliches Qualitätssiegel“ bedeutet, an dem man sich getrost orientieren kann. Um einen Gewerbeschein kann nämlich nur ansuchen, wer eine dieser Qualifikationen vorweisen kann: „Ein abgeschlossenes Studium der Sportwissenschaft oder einen Abschluss an der Bundessportakademie – eine andere Möglichkeit gibt es nicht“, erklärt Manuel Höfferer.

Der relativ kürzeste Weg zum gewerblichen Anbieten von Laufseminaren ist eine Ausbildung zum „staatlich geprüften Instruktor“ an der Bundessportakademie (BSPA). Der Aufwand dafür ist beträchtlich und beträgt mindestens 150 Wochenstunden. Das Ausbildungsziel für staatliche Instruktoren wird von der Bundessportakademie so definiert: „Ziel ist die kompetente Planung, Organisation, Durchführung und Analyse von Trainingseinheiten mit Nachwuchs- sowie Breitensportlern.“

Um dieses Kapitel noch zu vervollständigen: An der staatlichen Ausbildungsstätte der heimischen Sportlehrer folgen auf die Instruktorausbildung noch zwei Stufen:

  • Der staatlich geprüfte Trainer. Dieser ist zusätzlich dafür ausgebildet, um auch Leistungs- und Spitzensportler zu betreuen.
  • Und über allem steht der Diplomtrainer, der in jedem Fall über mehrere Jahre mit Leistungssportlern gearbeitet haben muss, um überhaupt zu seiner Ausbildung zugelassen zu werden.


QUANTITÄT GLEICH QUALITÄT?
Hobbyläufer können also festhalten: Wer auf einen Laufcoach mit einer derartigen Ausbildung trifft, der kann sicher sein, es mit einem Experten mit hochwertigem theoretischem Rüstzeug zu tun zu haben. Doch gilt deshalb auch der Rückschluss: Lange Ausbildungszeit = guter Trainer?

Einer, der das für zu kurz gedacht hält, ist der in der Südsteiermark ansässige Sportwissenschafter Mag. Dr. Stefan Kleinhappl: Er betreibt seit 2002 die private Nordic Fit Academy und bietet dort „Nordic Fit Lauftrainer“- Ausbildungen aus, die vom Österreichischen Nordic Fitness Verband (ÖNV) zertifiziert sind. Der Ausbildungsumfang dieser Gruppe von Trainern laut Ausschreibung auf der Homepage: Nach einem „Intensivtag“ (dauert von 10 bis 19 Uhr) können sich sportliche Personen „zertifizierter Nordic Fit Basic- Instructor“ nennen und damit bereits ihre Dienste anbieten. Aufbauend auf diesen Kurs erfolgt nach einem weiteren Intensivtag der Aufstieg zum „zertifizierten Nordic Fit Lauftrainer“.
Klingt nicht nach viel – Kleinhappl möchte das allerdings schon ins rechte Licht rücken: „Pro Seminar haben wir einen Präsenztag, stellen dazu unseren Teilnehmern umfangreiche Information in gedruckter Form zur Verfügung. Außerdem gibt es Zugang zu einem eigens aufgestellten Info-Portal, und unsere Absolventen tauschen sich untereinander in einer moderierten Commu nity aus. Diese Kombination von Einzelleistungen macht eine hochwertige Ausbildung aus, die sogar viele Sportwissenschafter und Absolventen der Bundessportakademie als zusätzliche Fortbildung nutzen.“

„LAUFSCHUHE DER ANTIKE“
Kleinhappl, selbst Absolvent und seit einigen Jahren Lehrender der Bundessportakademie, stellt auch die Frage in den Raum: „Muss die Qualität einer Ausbildung grundsätzlich immer an der Zahl der Stunden bemessen werden, die man im Seminarraum absitzt? Der laufspezifische Anteil der ‚BSPA-Ausbildung‘ ist jedenfalls definitiv geringer als bei unseren Laufinstruktoren. Ich hätte in meiner Ausbildungszeit nur zu gern auf Frontalvorträge über die ‚Geschichte des Laufschuhs in der Antike‘ verzichtet und die Zeit stattdessen für praxisorientierte Inhalte verwendet ...“

„UNTERRICHTSFACH “ LAUFEN
Wie aber schaut es bei den Absolventen der „Nordic Fit Academy“ mit der rechtlichen Situation (Stichwort Gewerbeberechtigung) aus? Wie schon erwähnt, sind „unterrichtende Tätigkeiten“ von der Gewerbeordnung ausgenommen und können von jedermann (sogar ganz ohne Ausbildung) angeboten werden. Und unter den Rechtspassus „unterrichtende Tätigkeit“ fallen auch die Nordic-Fit-Lauftrainer, erklärt Stefan Kleinhappl, und er umreißt ihr Tätigkeitsprofil: „Unsere Trainer organisieren und leiten Laufgruppen, beraten und schulen Hobbyläufer insbesonders in Fragen der Lauftechnik. Ihre Tätigkeiten bieten sie etwa in der betrieblichen Gesundheitsförderung von Unternehmen, im Sporthandel oder im Tourismus an.“ Und das stehe keineswegs im Widerspruch mit dem Gewerberecht, betont der Academy-Gründer.
Dazu gleich ein juristisches Kuriosum: Tennis- oder Golftrainer, also Ausbildner in sehr komplexen technischen Sportarten, wo Bewegungsabläufe nur allzu leicht falsch verinnerlicht werden können, sind in jedem Fall von jedweder Nachweispflicht einer Qualifikation gegenüber dem Gesetzgeber befreit! Weil das Gewerberecht diese Tätigkeiten schlicht nicht kennt. Im Gegensatz eben zum „Lauftrainer“ ...

UNTERRICHTEND ODER INDIVIDUELL?
Die gesetzliche Lage ist also nicht ganz einfach. Aber eines möchte Manuel Höfferer von der Wirtschaftskammer schon auch festhalten: Wenn sich ein Lauftrainer einfach auf den Passus der „unterrichtenden Tätigkeit“ beruft, in Wahrheit aber eine individuelle Trainingsbetreuung anbietet, dann kommt er mit dem Gesetz in Konflikt. Dafür drohen empfindliche Geldbußen – „die im Wiederholungsfall auch mehrere Tausend Euro betragen“.

Wo die Grenze zu ziehen ist zwischen rein „unterrichtender“ und „gewerblicher“ Tätigkeit? Generell gilt: Allgemeine Trainingsempfehlungen, die sich an eine Gruppe richten, etwa in Form eines Seminars, gelten als unterrichtend. Geht es um die individuelle Betreuung Einzelner, dann greift das Gewerberecht. Individuell Trainingspläne maßzuschneidern, vor allem aber alle leistungsdiagnostischen Tätigkeiten – das sind in jedem Fall Arbeitsfelder, die den gut ausgebildeten Spezialisten vorbehalten sind.

IN DEN VEREINEN
Bisher war nur von den beruflichen und nebenberuflichen Trainern und Lehrenden die Rede. Was aber ist dort, wo unentgeltlich gearbeitet wird – aus Freude am Sport oder zum Beispiel auch in den Sportvereinen? Mag. Christian Jopp, Verantwortlicher für die „Sportunion-Akademie“ der Steiermark, weiß, „dass sicher nicht jeder Vereinstrainer auch eine zertifizierte Ausbildung vorzuweisen hat. Eine zwiespältige Sache: Einerseits sind wir natürlich über jeden Ehrenamtlichen froh. Andererseits ist es auch rechtlich nicht unproblematisch, vor allem, wenn etwas passiert“. Die gemeinsame Lösung der Dach- und Fachverbände für diese Problematik nennt sich „Übungsleiterausbildung“ und umfasst je nach Sportart 30 bis 40 Stunden Theorieund Praxisunterricht.

Die Frage: „Was, wenn etwas passiert?“ stellt auch Wirtschaftskammer- Experte Manuel Höfferer in den Raum: „Es wird jedem einleuchten, dass ich als Laie nicht einfach jemandem ein Training empfehlen darf, für das dieser gesundheitlich gar nicht die Voraussetzungen mitbringt. Die komplexen und langwierigen Ausbildungen sind schließlich auch dazu da, um solche Dinge beurteilen zu können.“ Es ergibt sich also auch ein Haftungsproblem nach dem Zivilrecht, wenn jemand eine Betreungsleistung anbietet, für die er nicht ausgebildet ist.

DIE (EX-)SPITZENSPORTLER
Was man über allem aber auch nicht vergessen darf, ist die Frage, ob eine hochwertige Ausbildung denn auch automatisch einen guten Lauftrainer ausmachen muss. Oder zählt nicht viel mehr die Erfahrung, die jemand mitbringt, zum Beispiel aus dem Spitzensport? Der Idealfall ist natürlich, wenn jemand beides mitbringt. Wenn aber nun ein (Ex-)Laufprofi keine Ausbildung außer seiner Erfahrung vorweisen kann, dann gilt für ihn (rechtlich betrachtet) dasselbe wie für alle anderen auch: Jedwede „unterrichtende Tätigkeit“ steht ihm frei – er kann Vorträge halten und selbstverständlich auch mit jedem Interessierten auf eine gemeinsame Laufrunde gehen, dabei von seinen eigenen Erfahrungen erzählen und allgemein gehaltene Tipps geben.

ZUSAMMENGEFASST: DIE WAHL DES LAUFCOACHES
Als Hobbyläufer tut man zunächst gut daran, sich klar zu werden, was man in einem Laufseminar oder von einem Coach überhaupt erwartet. Und: Man soll ruhig auch Ausbildungen und Erfahrungen der Lehrenden hinterfragen. Auch bei Zertifi katen und Gütesiegeln kann man sich durchaus trauen, nachzufragen, was denn eigentlich genau dahintersteckt.

Die Bezeichnungen Trainer, Coach oder Instruktor sind tatsächlich nicht geschützt und können von jedem geführt werden – es sei denn mit dem Zusatz „staatlich“ oder „staatlich geprüft“.

Eine akademische Ausbildung ist aber auch keine Garantie dafür, dass sich jemand auch in die Lage eines Freizeitsportlers hineinversetzen kann und diesem brauchbare Tipps geben kann. Wir haben unter unseren Run-Experten der letzten Jahre eine kleine Umfrage durchgeführt – der Tenor fast aller: „Erfahrung und Persönlichkeit des Coaches sind mindestens ebenso wichtig wie dessen Ausbildung.“

Bei der Wahl, von wem man sich als Läufer coachen und beraten lässt, ist natürlich auch ein gewisses Maß an Eigenverantwortung gefragt.

Und letztlich kann man auch auf die Kräfte des freien Marktes vertrauen. SPORTaktiv- Experte Mag. Kurt Steinbauer, der selbst als ehemaliger Spitzenleichtathlet und Sportwissenschafter viele Hobbyläufer kompetent betreut, formuliert es so: „Ein schlechter Trainer verschwindet sowieso bald von der Bildfläche."


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