Teil 2: Bloggerin Sabrina Schulze begab sich im Juli und August auf Expedition nach Kirgistan auf den Pik Lenin. Hier geht es zum ersten Teil der Reise-Reportage ...


Wir hoffen Ihr seid schon ganz gespannt auf unseren zweiten Teil unseres Expeditionsberichts und könnt es schon fast gar nicht mehr erwarten. Jetzt kommt der wohl spannenste Teil der Reise - unsere Zeit am und auf dem Berg. Also dann, nehmt Euch doch wieder einmal einen Kaffee oder Tee und reichlich Zeit zum Lesen.
Wir befanden uns also im Base Camp Achik Tash und wachten morgens auf 3600m auf.

TAG 4-5 AKKLIMATISIERUNG IM BC, TOURISTEN-PASS (4000m) UND ZUSTIEG ZUM CAMP 1 AUF 4200 M
Es hatte etwas geregnet in der Nacht, aber schon als wir das erste Mal aus dem Zelt am morgen stiegen, strahlte alles noch saftiger Grün. Nach dem ersten Outdoor-Frühstück ging es direkt zu einer ersten Akklimatisierungstour in Richtung Touristen-Pass, der uns auf eine Höhe von 4100m brachte. Entlang des langen Wegs, der uns zunächst zur "Zwiebelwiese" brachte, werden wir von vielen Murmeltieren beobachtet. Fantastisch.
Dann ging´s endlich bergauf, hinauf auf den Touristenpass. Es ging steil bergauf. Unglaublich, wo die hier überall mit den Pferden lang reiten und genauso unglaublich, wie sich die meisten der Bergsteiger hier schon rauf quälen. Wir erreichten die 4000er-Marke, hatten zwar etwas weniger Luft, aber sonst keine Beschwerden. Wir blieben nur einen kurzen Moment.

ZWISCHEN HAGEL UND SONNE
Irgendwo kam das schlechte Wetter her und brachte uns erst Hagel und dann leichten Regen. Aber schon 20min. später lachte uns die Sonne vom Himmel entgegen. Zurück im Base Camp bestand der weitere Tag aus abhängen, essen und natürlich Taschen neu packen für unseren Aufenthalt am Berg - nämlich als nächstes auf Camp 1 (4200m). Die Nacht verlief gut und am nächsten Morgen (Tag 5) wurde unser Gepäck von rund 60kg auf die Pferde aufgeladen, während wir bereits den langen Weg zum Camp1 in Angriff genommen haben. Mit acht Stunden wird der Weg veranschlagt und wir haben unterschätzt, welche Distanz man wirklich zurück legen muss. Die 15KM verliefen wieder über die Zwiebelwiese, hinauf auf den Touristen-Pass und wieder hinunter. Dann ging es im ewigen Auf und Ab die Gletschermoräne entlang, bis ein doch großer Bach überwunden werden musste. Mit großen Sprüngen war das erledigt und dann ging es einen finalen Aufschwung hinauf. Irgendwann konnten wir es dann sehen, unser kleines Camp 1.
Wir wurden freundlich empfangen, bekamen unser komfortables Zelt zugeteilt und waren dann einfach sprachlos vom Ausblick auf "unseren" Berg. Das erste Mittagessen und Abendessen schmeckte fantastisch. Wir gingen früh ins Bett und schliefen noch schneller ein. Wir hatten keine Kopfschmerzen - aber die Luft war merklich dünner.

TAG 6 -11 AKKLIMATISIERUNGSTOUR AUF 4700 M, AAUFSTIEG/AUFBAU CAMP 2 UND SCHLECHTWETTERFRONT
Wir standen auf und freuten uns, dass die Sonne schien. Die Nacht war stürmisch und ich war ganz schön aufgewühlt. So ein Sturm im Zelt auf 4200m ist irgendwie gar nicht so beruhigend. Nach unserem ersten Frühstück, ging es zur Routenerkundung in Richtung Pik Lenin. Der Rucksack trug sich schwer auf unserem Rücken, als es über den langen Gletscher erst einmal zum Wandfuß ging. Ich war nervös, die Dimensionen beunruhigten mich und ich fühlte mich klein. Wu hingegen wirkte gewohnt professionell und als wir dann am Wandfuß standen und unsere Gletscherausrüstung anlegten wurde ich noch nervöser. Da warteten ziemlich viele Spalten auf uns. Wir gehen die ersten Meter steil bergauf und nehmen die ersten Spalten halbwegs gelassen. Die Sonne brannte vom Himmel und es wurde heiß. Vielleicht lag das auch nur am Gewicht und meiner Nervosität. Drei der großen Spalten könnten wir nur über "Brücken" überwinden - die bestanden aus schmalen Brettern, die notdürftig über die Spalten gelegt wurden. Wir erreichten die erste Steilstufe auf dem Weg zum Camp2 und setzten uns auf einer Höhe von 4700m etwas neben die Route und verbrachten einfach nur Zeit hier oben. Die roten Blutkörperchen kommen dann von ganz alleine. Wir beobachten ein bisschen das große Treiben auf der Route und genossen den Ausblick auf die ganzen Camp 1-Lager, die sich auf dem großen Gletscher im unteren Bereich befanden.

STADT DER ZELTE
Der Bergtourismus ist auch hier in ganz großen Maß angekommen. Manche Camps sind so groß, dass man sie fast Zelt-Städte nennen könnte. Müll haben wir leider auch überall gefunden und auch ein einzelnes Knie-Gelenk säumte unseren Weg. Puhhhh, da steckt schon viel Erlebnis und Tragik sprichwörtlich im Gletscher. Dann merke ich, dass mich der erste Aufstieg schon etwas müde gemacht hat. Die Höhe macht sich bereits mit voller Breitseite bemerkbar. Kopfschmerzen bekamen wir auch. Dazu kamen Zweifel, ob ich dieser Unternehmung überhaupt gewachsen bin. Beim Abendessen lernen wir die ersten Leute kennen. Neben Sergio auch Gary, ein Australier, der gemeinsam mit Sergio den Pik Lenin versuchen würde. Gary wurde während unserer Reise zu unserem Haupt-Entertainer und zu einem wirklich sehr guten neuen Freund. Wie auch wir würden sie am kommenden Tag (Tag7) in Richtung Camp 2 aufsteigen. Mit dem Unterschied dass sie auch oben das erste Mal schlafen würden. Wir hingegen würden unser Camp 2 aufbauen und dann wieder absteigen. Angedacht hatten wir einen kompletten Transport der Lager 2/3 an einem Tag, damit wir dann alles oben hätten. Das bedeutete aber auch, das Christian am nächsten Morgen ca. 30KG auf seinem Rücken hatte und auch ich meinen Beitrag leistete. Um 04:00 in der Früh sind wir gestartet. Im Licht unserer Stirnlampen und der der vielen anderen Bergsteiger starteten wir wieder über den Gletscher zum Wandfuß.

Dann ging es wieder steil bergauf, und auch im Morgengrauen wirkte die Spaltenzone gigantisch. Wir arbeiteten uns langsam aber stetig voran. Es wurde anstrengender mit jedem Höhenmeter. Auf Grund der vielen Spalten folgt die Spur einfach gerade hinauf - steil hinauf. Wir legen den 8000ner-Schritt ein und japsen nach Luft, als wir das erste Mal die 5000ner-Marke knacken. Wu bleibt wieder einmal cool und jammert auch wegen dem schweren Gepäck nicht. Ich bin beeindruckt. Vom Berg und von WU´s Kraft. Ich fühle mich langsam. Aber ein Blick hinter mich bewies, dass es allen so ging. Es wurde heiß in der von den Einheimisch liebevoll genannten "Bratpfanne". Das war die Traverse, die einen direkt zum Camp 2 brachte und auf der man Telefonempfang hatte. Wir erreichten die Traverse nach mühevollen Stunden des Aufstiegs und stöhnen leicht, als wir sahen, wie weit es noch zum Camp war.

EIN BISSCHEN NERVENKITZEL
Wir arbeiten uns vor - passierten unheimlich reizvolle Längsspalten, die sich quasi direkt unter der Spur befanden. Ein bisschen Nervenkitzel konnte ja nicht schaden. Endlich erreichten wir das Camp 2, wo ich mich erst einmal einfach nur hinsetzen musste. Puhh. Wo sollte denn da noch ein Plätzchen für unser Zelt sein? Spalten ziehen sich mitten durch das Camp 2, die besten Plätze waren bereits vergeben. Wir erhaschten ein Plätzchen in der Nähe der Toiletten. Wir sondierten eine ausreichende Fläche aus, wurden dabei kritisch geliebäugelt und später doch auch um die Sonde gebeten. Wu beginnt den Platz auszuschaufeln, während ich Steine zur Bescherung der Schneelappen suche und herantrage. Wir brauchen beide für beides sehr lange. Hitze, wenig Luft und Durst. Irgendwann stand dann aber auch unser Zelt. Einbetoniert mit lauter "toten" Männern, müsste es jedem Sturm trotzen können. Wir kochen uns das erste Mal Wasser hier oben für den Abstieg. Vorher schlossen wir unser Zelt noch mit einem Schloss ab. Hier wird gestohlen haben wir gehört, das wollen wir nicht riskieren. Den Abstieg erledigen wir in sagenhaften 1,5Stunden. Wir sind gerannt, denn auf Grund der fortgeschrittenen Zeit, möchten wir einen Spaltensturz nicht riskieren. Sulziger Schnee ist nicht gerade vertrauenserweckend. Das war ein wahnsinnig anstrengender Tag und deshalb gönnen wir uns eine Flasche Cola und Fanta vom großen Camp1 direkt am Gletscher und trinken beides auf einmal aus. Zurück im Camp1 hielten wir fest: 12 Stunden insgesamt haben wir gebraucht. Bei mir kündigen sich starke Kopfschmerzen an auch ein bisschen Kälte. Ich bin erschöpft und freue mich, dass die kommenden zwei Tage als Ruhetage dienen würden. Nach dem Abendessen verzogen wir uns schnell ins Zelt... wir wollten nur noch schlafen.
Am nächsten Morgen (Tag 8) ging´s mir schlecht. Schlapp, Kopfschmerzen und Bauchschmerzen. Ich habe fast ausschließlich geschlafen, während Wu sich Sorgen gemacht und ein Sturm über uns getobt hat.Sergio und Gary waren nach einer extrem stürmischen Nacht auf Camp 2 auch wieder zurück im Camp 1. Der Tag zog sich endlos lang hin, das Zelt musste Wu ständig nachspannen, damit wir nicht davon geweht werden würden. Es graupelte den ganzen Tag.

HINTER DEN WOLKEN
Der Pik Lenin versteckte sich auch hinter Wolken. Tag 9 wurde somit auch zu einem Ruhetag, zum einen wegen der Schlechtwetterfront und weil wir leider keine Sicherheit mehr darüber hatten, ob unser Zelt überhaupt noch auf Camp2 stand. Der Sturm hatte rund 50% aller Zelte einfach weg geblasen. Das haben wir per Funk mitbekommen. Keiner konnte jedoch sagen, ob unser Zelt noch an seinem Platz stand. Somit bangten wir etwas und freuten uns über die Spanier, die zufällig ein Bild des Camp2 gemacht hatten, und auf dem konnte man unser Zelt noch sehen. Wir waren ruhiger und planten eigentlich für den nächsten Tag den erneuten Aufstieg zum Camp2. Aber, von Stephan, der mit seiner Gruppe vom DAV Summit Club ebenfalls vom Camp2 kam, hörten wir schon, dass das Wetter weiterhin schlecht bleiben sollte. Tag 10 begann ebenfalls mit Sturm und für uns ein weiterer Zwangs-Ruhetag.
Es war kalt und ich werde schon gar nicht mehr richtig warm. Meine Füße litten und Wu wurde langsam unrund. So etwas darf bei einem so kurzen Zeitfenster wie wir es hatten, einfach nicht passieren. Katzenwäsche war eine gute Ablenkung genau wie essen. Hoffnung auf besseres Wetter am nächsten Tag bestand keine. Nein, es sollte sogar erst seinen Höhepunkt erreichen. Das war dann leider auch so und Tag 11 wurde zu einem weiteren Zwangs-Pausetag. Die Nacht war so stürmisch, dass unser Toilettenhäuschen, Zelte mit Personen drin, einfach weg gepustet worden waren.
Wir wollten gar nicht wissen, wie es dann oben auf Camp2 gewesen sein musste. Und weil wir auch die Lawinen-Situation nicht einschätzen konnten und die ganzen einheimischen Bergführer keinen Aufstieg wagten, blieben wir eben auch im Camp 1. Aber am Nachmittag erklommen wir zumindest einen der umliegenden namenlosen Berge (4800m) und konnten feststellen, dass wir schon perfekt auf die Höhe im Camp 1 akklimatisiert waren. Aber die Enttäuschung wuchs in uns. Ob unser Zelt noch auf Camp 2 stehen würde. Ist vielleicht an Tag 12 endlich der Aufstieg wieder möglich? Wir mussten rauf, sonst wäre an eine Besteigung des Pik Lenins gar nicht mehr zu denken. Uns ist kalt - wir waren richtig durchgefroren. Es war wirklich bitterkalt und wir hofften auf Sonne. Wir würden am nächsten Tag gehen, dass stand fest. Wir wollten Sonne und hofften darauf. Wir gingen wieder früh schlafen und stellten den Wecker auf 03:30 in der Früh. Die Nacht war ruhig, sehr ruhig - nur die Kälte, die zog durch unser Zelt und den Schlafsack.

TAG 12-15 ENDLICH WIEDER CAMP 2 (5300 M), AUFSTIEG CAMP 3 (6050m) UND GIPFELERFOLG PIK RAZDELNAYA (6148m)
Die Nacht war ruhig und wir wagten um 03:30Uhr einen kleinen Blick hinaus. Es schaut alles gut aus, und der Himmel wirkte klar. Dann wurde es in unserem Camp unruhig. Alle krochen aus ihren Zelten und machten sich auf zum Frühstück. Wir auch. Wir hatten bereits alles angezogen und die Rucksäcke für den erneuten Aufstieg und Aufenthalt im Camp2 gepackt. Wir hatten für unser Frühstück Zeit und ich genoss es wirklich. Dann ging es auch für uns schon los und der Weg hin zum wandfuß überwanden wir sehr zügig. Unser Aufenthalt (zwangsmäßig) auf Camp 1 und den 4200m machte sich doch deutlich bemerkbar. Wir waren fit und zwar richtig. Die erste Spaltenzone überschreiten wir so zügig, dass wir bereits zum Sonnenaufgang an der ersten Steilstufe ankommen und diese auch sehr zügig hinter uns lassen.
Heute geht es super mit der Luft und das Gepäck ist zwar deutlich bemerkbar, aber nicht so schwer wie beim ersten Mal. Wir überholen ein paar Gruppen und fühlen uns gut. Es geht nach wie vor einfach steil bergauf, aber es kommt uns schon um längen nicht mehr so vor. Auch der letzte Aufschwung kurz vor der Traverse ist schnell geschafft. Dann machen wir kurz eine Pause. Hier an diesem Punkt konnte man nämlich telefonieren und das taten wir auch. Heimat tut eben gut und daher nutzten wir die Möglichkeit.

MAHNUNG AM BERG
Was uns danach allerdings eröffnete, holte uns schnell auf den harten Boden der Bergsteigerwelt zurück. Nur wenige Meter weiter am Weg vorne lag der vor wenigen Tagen tödlich verunglückte junge Bergsteiger. Notdürftig verpackt. Dessen Anblick machte uns sehr traurig und betroffen. Wir versuchen schnell an ihm vorbei zu gehen und nicht darüber nachzudenken, dass es überhaupt diskussionsbedürftig ist, dass er vom Berg würdevoll abtransportiert wird. Nein, hier in Kirgistan muss erst geklärt werden, wer denn für die Kosten aufkommt und dann muss Bargeld auf dem Tisch liegen ehe man hier tätig wird. "Only friends help friends" hören wir es wieder in unseren Ohren klingeln - und wenn du gerade keine "friends" am Berg hast, dann schaut es schlecht aus. Unsere Blicke suchten schnell das Camp 2 nach unserem Zelt ab. Aus der Ferne haben wir das Gefühl es noch zu sehen. Wir wollten uns ablenken. Unser kleines, starkes Zelt hat die Stürme der letzten Tage überlebt. Wir kochten uns Mittagessen und viel Wasser. Beides schmeckte ok. Am Abend bekam ich dann aber schon starke Magenkrämpfe und ahnte böses.

KRAFTLOS
Wie sollte es auch anders sein, natürlich musste ich schon ein paar Stunden später ziemlich schnell die Toilette aufsuchen. Bei einem Mal blieb es in dieser Nacht leider nicht. Am nächsten Morgen, (Tag 13) den wir eigentlich für einen Aufstieg und Aufbau des Camp 3 (6100m) nutzen wollten, stand ich leicht zittrig und schwindelig neben unserem Zelt. Die Nacht hatte mich fertig gemacht und die Kraft war weg. Wir wollten es dennoch versuchen. Zumindest ein paar erste Höhenmeter weiter rauf. Wir entschlossen uns die Steilstufe direkt vom Camp 2 weg zumindest zu machen, damit wir auf die Höhe von 5500m kämen- wir reden hier von 200HM. Steile 200HM, aber eben nur 200HM. Wir brauchten 2,5Std. um auf dem Plateau anzukommen. Das Klo brauchte ich oben auch sofort. Wir entschlossen uns es dabei gut sein zu lassen. Einen Moment dort oben (5500m) zu verweilen und dann wieder abzusteigen ins Camp 2. Wu bekochte mich mich Travellunch und Unmengen von Wasser/Tee, damit ich schnell wieder fit werde und Kraft bekomme. Zumindest blieb inzwischen alles drin. In Wu´s Gesicht sah ich schon die ersten ernsthaften Zweifel, dass uns der Gipfel des Pik Lenin überhaupt sehen würde, mit meinem Zustand undenkbar. Wir hatten bereits keine Reservetage mehr und müssten auch noch mal ganz runter um zwei Ruhetage einzulegen. Er machte sich Sorgen und hat mich sehr fürsorglich aufgepäppelt. Wir entschlossen uns zumindest den Pik Razdelnaya (6148m) am nächsten Tag in Angriff zu nehmen. Eigentlich hätten wir auch schon auf Camp3 schlafen müssen, aber Wu hatte Bedenken dass es mir auf dieser Höhe eher schlechter als besser gehen würde. Wir agierten als Team - aber ich hätte Wu gerne alleine zu einem Versuch los geschickt. Er war fit und hatte sehr gute Chancen. Ein großer Lernprozess für uns beide und ein starker Zug von Wu, dass er keinen Solo-Versuch machte. Wir schliefen irgendwann im Zelt ein. Wir lagen früh im Bett, weil es extrem kalt an diesem Abend war und die Nacht wurde es auch.

ZÜGIG VORAN
Der Wind war auch mal wieder zu Gast. Am frühen Morgen (Tag 14) begrüßte uns dann die Sonne und eisige Kälte. Unterhalb von 5000m steckte die Wolkendecke. Wu kochte uns noch schnell etwas Wasser, damit wir wenigstens etwas warmes im Bauch haben und dann machten wir uns auch schon auf den Weg zu meinem ersten 6000ner. Wu hat mein Gepäck übernommen und schon ließen wir die erste Steilstufe hinterm Camp 2 hinter uns. Heute waren wir schnell unterwegs. Überholten einen Teil der Leute und kamen auch auf dem stetig steigendenen Weg "zügig" voran. Natürlich sprechen wir hier auch über einen schnelleren 8000ner-Schritt, denn die Luft wurde auch immer dünner. Dann erreichten wir die ca. 50 Grad steile letzte Schneeflanke, über die man dann das Camp 3 (6100m) erreicht.

BEFLÜGELT ZUM GIPFEL
In schmalen ZickZack arbeiten wir uns die rund 300 HM hinauf. Hier brauchen wir Zeit und vor allem viel Luft. Irgendwann gratulierte mir Christian, das war beim knacken der 6000ner-Marke. Mein erstes Mal auf dieser Höhe. Das fühlte sich gut an und beflügelte. Irgendwann standen wir dann inmitten des Camp 3´s. Tief vergrabene Zelte, viel Dreck und extrem starker Wind. Ungemütlich. Wir schleichen uns uns durch und gehen zur Grenzmakierung Kirgistan/Tadschikistan. Kleine Fähnchen stehen dort oben. Und jetzt eben auch wir. Aber wir waren damit beschäftigt so schnell es ging unsere Daunen-Jacken und Handschuhe überzuziehen. Es war so unglaublich bitterkalt, das Wu´s Bart sofort einfrohr und der Wind pfiff. Dann machten wir uns auf den Weg auf den Gipfel des Pik Razdelnaya - der war nicht schwer zu finden. Ein kleiner Pfad brachte uns in leichter Steigung auf den Gipfel und ich durfte vorgehen. Mir kullerten die Tränen hinunter als wir endlich oben standen. Der Ausblick in das Pamir-Gebirge, die Tatsache das dies mein erster 6000ner war - ich wusste es nicht. Ich war überwältigt. WU war auch happy und nahm mich in den Arm.

OBEN ANGEKOMMEN
Gemeinsam trotzten wir dem Wind und genossen den Ausblick. Inzwischen war alles bewölkt, aber die Wolken rissen noch mal kurz auf. Wir hatten 10 Minuten auf dem Gipfel Pik Razdelnaya (6148m) am 03.08.2014 und das nur mit einem Italiener, der dann aber wieder verschwand. Glückseligkeit machte sich breit und wehmütige Blicke warfen wir dem Pik Lenin zu. Eine Besteigung würde jetzt eine ganz knappe Sachen werden und wir mussten uns ernsthafte Gedanken machen, ob es überhaupt zu verantworten und realistisch war. Die Zeit war inzwischen so knapp geworden und wir nicht 100% fit. Aber in diesem Moment freuten wir uns über den Gipfel auf dem wir gerade standen.
Dann machten wir uns an den Abstieg und nutzten den Handyempfang am Camp3 um wieder einmal einen Anruf zu tätigen und um unsere leckeren Hafervoll-Flapjacks zu mampfen. Das Wetter machte nicht mehr richtig auf und so gingen wir mit nur 5m Sicht die Flanke hinunter, dann das Plateau weiter zur letzten Steilstufe vor dem Camp 2 und über die dann hinunter.

VERDIENTE RUHE
Unser Zelt begrüßte uns und an diesem Tag spielte ich dann mal die Köchin für Wu. Den restlichen Tag verbrachten wir mit ausruhen und genießen. Die ersten Sachen packten wir auch schon für den geplanten Abstieg ins Camp 1. Wir hatten uns entschlossen unser gesamtes Camp 2 abzubauen und alles mit hinunter zu nehmen. Eine Versuch für den Gipfel war inzwischen irgendwie unrealistisch. Die Zeit, uns fehlten ein paar Tage und definitiv eine Nacht auch auf 6000m. Die Nacht war vorbei und dann gings früh raus zum Zelt abbauen. (Tag 15) Wieder einmal eisig, aber die Sonne lachte vom Himmel. Unsere Rucksäcke füllten sich bis unermessliche. Puhhhh - der Platz wurde immer begrenzter. Aber wir schafften es rund 45KG zu verpacken und auch der Müllbeutel fand noch Platz am Rucksack. Dann gab es noch ein Abschiedsfoto vom Camp 2 und dann musste Wu mir helfen meinen Rucksack irgendwie auf den Rücken zu bekommen. Gleiches tat ich bei Wu.

STÜCK FÜR STÜCK NACH UNTEN
Platz da - jetzt kommen die Walrösser. Wir bahnten uns den Weg über die Traverse, bekamen dieses Mal aber kein Handyempfang mehr an der Stelle und gingen so weiter. Stück für Stück bahnten wir uns den Weg nach unten. Es kamen uns viele Bergsteiger entgegen, auch der Summit Club mit Stephan, die ihre finale Gipfelrunde starteten. Wir wünschten Ihnen Glück und stiegen weiter ab. Abstieg zur kalten Cola könnte man es auch nennen. Das Gewicht machte sich massiv bemerkbar - die Knie wurden weich. Irgendwann war dann auch die letzte Spalte geschafft und wir konnten die Gletscherausrüstung ablegen. Dann wieder die schweren Rucksäcke auf den Rücken und dann ging es geradewegs zur Cola. Das dauerte leider noch rund 35min. - aber dann konnte uns nichts mehr halten. Nach der Cola-Pause und netten Gesprächen im Camp 1 einer großen Agentur, ging es dann noch weiter über den Gletscher zu unserem Camp 1.
Dort wurden wir quasi schon erwartet mit einem guten Mittagessen. Das ließen wir uns schmecken und genossen die Gespräche mit Gary und Sergio. Immer wieder sehr lustig. Und dann machten wir und Gedanken über die kommenden zwei Tage, die wir eigentlich zur Rast nutzen mussten. Rein rechnerisch hätten wir aber nur einen Tag Pause machen dürfen, dann müssten wir noch mal los. Unsere spanischen Freunde bieten uns sogar ihr zweites Zelt auf Camp 2 an, wir sollten es gemeinsam mit ihnen noch mal unbedingt versuchen. Sie würden am nächsten Tag wieder aufsteigen, aber wir könnten ruhig übermorgen nachkommen, haben Sie gesagt. Es klang verlockend, sehr verlockend. Aber erst einmal müssten wir uns ausruhen. Wir waren so platt. Vier Tage auf 5300m machen einen einfach nur müde und das Gewicht unserer Rucksäcke tat sein übriges. Ob wir es noch einmal probieren würden, würden wir am nächsten Tag entscheiden. Für den heutigen Tag genossen wir einfach nur noch unseren Gipfelerfolg am Pik Razdelnaya.

Mehr von Bloggerin Sabrina Schulze findest du auf www.wusaonthemountain.at


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