Gut, für einen sportlichen Flirt gibt es wahrscheinlich bessere Orte als die Bogenschießanlage. Wer die Möglichkeit hat, sie auszuprobieren, sollte der Sportart Bogenschießen dennoch eine Chance geben. Denn wo hat man sonst schon die Gelegenheit, sein Innerstes zu finden ...?


Wenn Amor seinen Pfeil anlegt, dann gibt es bekanntlich kein Entrinnen. Das ist aber auch kein Wunder – denn egal, welche Gerätschaft der Liebesgott verwendet, auf beeindruckende Daten kann er so oder so verweisen: Greift er zum Hightech-Compoundbogen, dann beschleunigt sein Pfeil auf satte 400 km/h. Und mit einem bei Olympischen Bewerben verwendeten Recurvebogen sind auch noch locker 250 km/h drin.
Wie in den meisten Präzisionssportarten liegt die wahre Faszination des Bogenschießens aber anderswo als in schieren Leistungsdaten wie Helmuth Traxler, Vizeweltmeister und 17-facher Staatsmeister in dieser Sportart, sinniert: „Die größte Herausforderung liegt im Kopf. Mit der Fähigkeit, die Konzentration über die Dauer eines mehrere Stunden langen Wettbewerbs aufrechtzuerhalten, kann es buchstäblich gelingen, sein Innerstes zu finden.“

KONZENTRIEREN UND ENTSPANNEN
Die drei Eckpfeiler, an denen erfolgreiche Bogenschützen arbeiten müssen, sind daher auch: Konzentration, Entspannung, Atmung. Konkret: Beim Heben des Bogens wird eingeatmet, beim Spannen der Sehne lässt man die Luft langsam ausströmen, wobei etwa ein Drittel Restvolumen in der Lunge sein sollte, wenn man den Pfeil schließlichabfeuert. „Der Sport hat einen meditativen Charakter. Um ins Ziel zu treffen, darf man es nicht zu sehr wollen“, philosophiert der Meister, der auch weiß: „Ob der Pfeil die goldene Mitte trifft, weiß man intuitiv schon mit dem Abgeben des Schusses. Wer es schafft, dieses positive Gefühl zu verinnerlichen, wird am meisten Freude am Bogenschießen haben.“
Freuen können sich beim Bogenschießen auch Einsteiger bald einmal – denn der Umgang mit Pfeil und Bogen ist an sich nicht allzu schwierig. Und auch die Zielscheibe trifft man in der Regel schon bei den allerersten Versuchen. In den Grundzügen ist das Bogenschießen sogar kinderleicht. „Theoretisch können Fünf- bis Sechsjährige mit gewissen Bogengattungen schon umgehen. In der Bogenschießschule nehmen wir Kinder aber ab neun Jahren auf – denn dann verstehen sie auch wirklich, wenn man ihnen sagt, dass es sich um einen Schießsport handelt, der potenziell gefährlich ist“, erklärt Traxler.

ALTER SCHÜTZT VOR SIEGEN NICHT
Am anderen Ende der Altersskala kann man diese Sportart fast unbegrenzt ausüben. In Wettbewerben, wenn sich unter Zeitdruck, mit wechselnden und höheren Entfernungen und durch die große Dauer von mehreren Stunden die Spreu vom Weizen trennt, sind – anders als in den meisten anderen Sportarten – etwas mehr Lebensjahre (40, 50 oder sogar noch mehr), gar kein Nachteil: „Tatsächlich sind die Topschützen allesamt etwas älter.“ Abseits des Spitzensports sind sowieso die Grenzen offen: So konnte Traxler einen 93-jährigen Schüler vor einiger Zeit in seiner Bogenschießschule begrüßen.
Das alles bedeutet aber wiederum nicht, dass die physische Komponente der Sportart vernachlässigbar ist. Man kann es so sagen: Um mit Bogenschießen zu beginnen, muss man nicht sonderlich fit sein. Aber wenn man es regelmäßig ausübt, wird man es: Oberkörper-, Rücken-, Arm- und Schultermuskulatur werden gekräftigt, eine aufrechte Haltung gefördert. Damit ist Bogenschießen ein idealer Ausgleichssport für einen haltungsfeindlichen Arbeitsalltag.

LINKES ODER RECHTES AUGE
Falls jetzt jemand auf den Geschmack gekommen ist – Bogenschießen kann man bei jedem der 165 Vereine in Österreich einmal ausprobieren und da auch das Material ausborgen. Letzteres empfiehlt Helmuth Traxler sogar ausdrücklich – denn wenn man sich dann selbst eine Ausrüstung zulegt, weiß man schon viel besser Bescheid, welche Gerätschaft man will und braucht. Etwa auch, ob man einen Links- oder Rechtsbogen benötigt – denn diese Frage ergibt sich nicht nach der stärkeren Hand, sondern nach dem dominanten Auge.
Ein Grund mehr, sich beim Aussuchen der Ausrüstung einem Fachmann anzuvertrauen, der das auch wirklich beurteilen kann.

LERNEN VOM PROFI
Ebenso empfiehlt es sich, den Sport unter professioneller Anleitung zu erlernen. So lauern in der Technik zahlreiche Fehlerquellen, die der Laie einfach nicht erkennen (siehe Atemtechnik), aber der Experte dem Einsteiger umso einfacher näherbringen kann. Salopp formuliert: Wissen muss man’s halt.
Der Nachteil einer falsch eingelernten Technik ist, dass man ab einem gewissen Leistungsniveau wahrscheinlich nicht mehr weiterkommt. Zur Klarstellung: Trotz der meditativen Komponente ist es kein Sport der ungeselligen Einzelgänger. Die Gemeinde aktiver Bogenschützen ist in den letzten Jahren kräftig gewachsen und umfasst rund 7.000 Mitglieder in 165 Vereinen. Außerhalb davon bieten auch Turniere die Möglichkeit, neue Gleichgesinnte kennenzulernen – und da vor allem bei sogenannten „Feldbogen-“ und „Jagdbogenschießen“, die auf Parcours im freien Gelände stattfinden. „Man wird in Gruppen zusammengelost und absolviert diese Parcours dann gemeinsam“, weiß Traxler. Viele Chancen also, um Kontakte zu knüpfen. Und damit für alle Singles: Wer weiß schon, wo Amor mit Pfeil und Bogen lauert?

DIE ZIELSCHEIBEN
Es gibt sie mit 122 oder 80 cm Durchmesser. Konzentrische Kreise mit 6 bzw. 4 Zentimeter Abstand bilden die Zielbereiche. Der innerste Kreis zählt 10 Punkte, der äußerste einen Punkt.
Bei Tierzielen gibt es dagegen nur zwei unterschiedliche Zielbereiche: Einen „Getötet“- und einen „Verwundet“-Bereich.

DIE BOGENARTEN

  • Langbogen: Ein sehr einfach konstruierter Bogen aus Holzstab und Sehne, der hauptsächlich im 3D und im Feldbogenschießen Verwendung fi ndet.
  • Blankbogen bzw. Recurvebogen: Er besitzt ein Mittelteil aus Aluminium und geschwungene „Wurfarme“ aus Glasfaser oder Carbonfasern. Außerdem kann er mit Zubehör wie Visiereinrichtung, Stabilisator oder Dämpfer versehen werden. Ohne dieses Zubehör bezeichnet man ihn als Blankbogen, mit Zubehör als Olympic- Recurve-Bogen. Diese Bogengattung kommt in allen Wettbewerben, auch bei Olympischen Spielen, zum Einsatz. Welches Zubehör erlaubt ist, ist von Wettkampf zu Wettkampf unterschiedlich.
  • Compoundbogen: Der technisch aufwändigste, aber auch exakteste und stärkste Bogen ist ein Hightechgerät mit Carbonwurfarmen und einem Räder-Kabel- System, dank dem man mit höherer Spannkraft schießen kann. Gezielt wird mit einem Visier, das auch eine Vergrößerungsoptik enthalten kann.


DIE PFEILE
Das Maximalgewicht eines Pfeils liegt bei 28 Gramm, die Länge ist nicht vorgeschrieben. Der Schaft wird meist aus Kohlefaser oder Kohlefaser-Aluminium-Legierungen gefertigt. Die „Befiederung“ stabilisiert den Pfeil und ist aus synthetischem Material.

DIE WEITERE AUSRÜSTUNG
Es wird empfehlen, einen speziellen Fingerschutz und Unterarmschutz zu tragen.

DIE KOSTEN
Sind sehr unterschiedlich – Einsteigerbögen sind um etwa € 100,– zu haben, Pfeile um etwa € 6,– pro Stück. Wettbewerbstaugliche Pfeile können dagegen € 30,– und Compoundbögen über € 1.000,– kosten.


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